Tagesablauf

Ein Tag in der Isla de Niños Capilla del Monte

8:30 Uhr
Gegen halb neun kommen nacheinander die ersten Kinder, die am Vormittag die Kindergartengruppe der Tagesstätte besuchen. Für Elsi, Barbara und Haide Krause, die die Einrichtung seit Anfang 2009 zusammen leiten, beginnt ihr Arbeitstag an den meisten Tagen jedoch schon weit früher. Denn die drei Frauen sind auch für die Verpflegung ihrer Schützlinge verantwortlich.
Dass bedeutet, dass sie schon ab sechs oder sieben Uhr in der Küche stehen und das Essen für rund 25 Kleinkinder sowie bis zu zehn Jugendliche pro Tag, die ihr Mittagessen ebenfalls in der Tagesstätte einnehmen, zubereiten.

9:30 Uhr
Wenn alle der zwei bis fünf Jahre alten Kinder von ihren Eltern in der Tagesstätte abgegeben wur­den, werden diese zunächst mit einem kleinen Frühstück versorgt. Zu einem Glas Milch gibt es nor­malerweise eine Scheibe Brot mit Marmelade und an heißen Tagen Obstsalat, bei dessen Zuberei­tung die Kinder helfen dürfen.
Danach sind die meisten der Kinder hinter der Tagesstätte – einer ausgebauten Garage neben dem Haus der Familie von Elsi und Barbara – im Garten anzutreffen, wo sie unter der Aufsicht und Anleitung von Barbara spielen, Gymnastik machen, Lieder singen oder Geschichten vorgelesen bekommen. Währenddessen werden in der Garage einige Vier- und Fünfjährige betreut, die mit Zeichen- und leichten Schreibübungen auf ihre Einschulung vorbereitet werden sollen. Nachdem diese „Arbeit“ erledigt ist, gesellen auch sie sich zu den anderen Kindern in den Garten.

11:00 Uhr
Gegen elf Uhr wird langsam mit den Vorbereitungen für das Mittagessen begonnen. Solange wie­derum Elsi mit einigen der älteren Kinder den Tisch deckt und Haide weiter das Essen vorbereitet, stellen sich die über zwanzig verbliebenen Kleinkinder im Garten auf, um mit Barbara vor dem Essen in einem Bottich ihre Hände zu waschen. Nachdem das geschehen ist und alle zusammen wie jeden Tag das Alphabet und die Vokale geübt sowie ihr Tischgebet gesprochen haben, wird das Essen an die Kinder verteilt.
Besonders viel Wert wird auf eine ausgewogene Ernährung gelegt. Jeden Tag stehen neben Reis, Nudeln oder Fleisch auch Salat, Gemüse (zum Teil geerntet im kleinen Garten der Tagesstätte) oder Hülsenfrüchte auf dem Speiseplan. Und nach dem Essen bekommt jedes der Kinder, die zwischen 11:30 und 12:00 von ihren Eltern wieder abgeholt werden, ein Stück Obst mit auf den Heimweg.

12:30 Uhr
Gegen Mittag trifft die zweite Gruppe von Kindern in der Isla ein. Schüler der ersten bis sechsten Klasse – je nach Tag kommen zwischen acht und zwölf Kinder dieser Altersstufe – besuchen die Tagesstätte, um dort mit der Hilfe der beiden Frauen ihre Hausaufgaben für den nächsten Schultag zu erledigen. Da diese Jahrgänge jeden Tag in der Schule ein warmes Mittagessen bekommen, könnten die Kinder, die als Schuluniform einen langen weißen Baumwollkittel tragen, die Isla eigentlich verlassen, wenn sie ihre Hausaufgaben nach etwas mehr als einer Stunde gemacht haben.
Dass sie genau dies in den meisten Fällen nicht tun und noch länger bleiben (und dies auch immer dürfen), um zu spielen, in der Sonne sitzen oder sich zu unterhalten, zeugt davon, dass die Tagesstätte für die Kinder mehr ist, als ein Ort, an dem sie ihre Schulaufgaben machen: sie finden einen festen Rahmen und mit ihren Freunden und den Betreuerinnen Gesprächspartner, die für viele die Funktion einer zweiten Familie erfüllen.

13:30 Uhr
Inzwischen ist auch die dritte und letzte Gruppe des Tages eingetroffen. Je nach Tag und Stundenplan besuchen zwischen 5 und 10 Jugendliche der Sekundärstufe die Isla de Ninos. Wie die Schüler der unteren Klassen kommen auch sie, um in der Einrichtung zu lernen und Schularbeiten zu machen. Bevor sie sich jedoch gemeinsam an die Arbeit machen, essen gegen halb zwei noch alle zusammen zu Mittag.
Und auch im Umgang mit den Älteren, die allesamt zwischen 12 und 15 Jahren alt sind, wird schnell deutlich, wie gerne sie ihre Zeit hier verbringen. Die Stimmung ist meistens gut und der Großteil der Schüler bleibt auch nach getaner Arbeit noch ein wenig, um einen Teil seiner Freizeit hier zu verbringen.

16:00 Uhr
Wenn dann irgendwann am Nachmittag alle der Kinder und Jugendlichen verschwunden sind, erledigen Elsi, Barbara und Haide Verwaltungsarbeiten, für die an den Vormittagen in den meisten Fällen keine Zeit bleibt, und machen die Einkäufe für die nächsten Tage.
Im Gegensatz zu den für unsere Verhältnisse äußerst geringen Gehältern (ein Lehrer an einer weiterführenden Schule verdient am Anfang seiner Karriere ungefähr 400€ monatlich) reichen die argentinischen Lebensmittelpreise oft an das Preisniveau in Deutschland heran (die billigste 500g Packung Nudeln kostet umgerechnet 40 Cent, ein Liter Sonnenblumenöl mehr als einen Euro und ein Kilo Reis oder Mehl gehen für 70 beziehungsweise 40 Cent nur unwesentlich billiger über den Ladentisch als in Europa).
Aus diesem Grund werden die Geschäfte, in denen die Lebensmittel für die Tagesstätte eingekauft werden, sorgfältig ausgesucht und oft muss aufgrund kleiner Preisunterschiede das Gemüse für die nächste Mahlzeit in zwei verschiedenen Läden besorgt werden – was die nachmittägliche Einkaufstour zu Fuß, die oft vier bis fünf Stationen umfasst, nicht unbedingt leichter macht.
Neben Dingen des alltäglichen Bedarfs der Tagesstätte müssen auch Schuluntensilien und zum Teil Kleidung für die Kinder und Jugendlichen besorgt werden, für die deren Eltern aufgrund ihrer finanziellen Situation selbst nicht aufkommen können: die Kinder stammen allesamt aus sozial schwachen Familien, ihre Eltern finden in einer fast ausschließlich vom Tourismus lebenden Region kaum Arbeit – denn in der kleinen Stadt gibt es eigentlich keine industriellen Arbeitgeber. Somit sind diejenigen, die sich den Aufbau eines eigenen kleinen Geschäfts nicht leisten können, vollkommen darauf angewiesen, in einem der zahlreichen Restaurants Teller zu waschen oder an Touristen selbstgepflückte Kräuter zu verkaufen oder Pferde zu vermieten. Außerhalb der Saison haben die meisten dieser Gelegenheitsarbeiter allerdings nur in seltenen Fällen die Möglichkeit, sich ein geregeltes Einkommen zu verdienen und die Tagesstätte muss aushelfen.